ISABELLE PATISSIER – EINE FRAU SCHICKT DIE MÄNNER IN DIE WÜSTE

 

Eine Ex-Weltmeisterin im Klettern ist die neue „Königin“ der Rallye-Raid-Szene. Als erste Frau überhaupt holte die 37jährige Französin Isabelle Patissier auf einem Nissan Pathfinder den Welt-Cup in der T1-Klasse der seriennahen Off-Roader.



Schon seit frühester Jugend fühlte sich Patissier von Extremsportarten geradezu magisch angezogen. Während andere Mädchen ihres Alters mit Puppen spielten, versuchte sich die fünfjährige Isabelle schon an den ersten Kletterwänden. „Mit 12 nutzte ich die Mittagspause, um gleich neben der Schule an der Mauer eines Friedhofs zu trainieren“, erinnert sie sich. „Viele schüttelten darüber den Kopf, manche hielten mich sogar für verrückt.“ Mit 18 nahm Patissier an ihrem ersten Wettkampf teil – und gewann auf Anhieb. Dem Freeclimbing zuliebe zog sie nach Cassis in Südfrankreich, wo sie an der Steilküste des Mittelmeers acht Stunden täglich trainierte. Die Knochenarbeit zahlte sich aus. Mit 21 errang sie ihren ersten französischen Meistertitel, mit 23 war sie erstmals Weltmeisterin.



Als sie beim Kraxeln alle sportlichen Gipfel erklommen hatte, beendete Isabelle Patissier 1995 ihre Climber-Karriere und nahm stattdessen für vier Jahre ihr Psychologie-Studium wieder auf. Doch die Uni allein machte sie nicht glücklich – eine neue Herausforderung musste her. Insgeheim hatte sie schon immer vom Motorsport geträumt, und hier ganz speziell von den Wüsten Afrikas. Ihr Debüt am Steuer gab sie aber zunächst auf Asphalt, in der Saison 2000 bei einem Markenpokalrennen im belgischen Spa. Sie bestritt auch Langstreckenrennen und stellte sich den Eisrennen der Trophée Andros. Doch nie verlor sie das Endziel – die exotische Welt der Rallye Raids – aus den Augen.



„Wüsten-Debüt in Tunesien 2000“

Als bei der Tunesien-Rallye 2000 ein Co-Piloten-Platz frei wurde, ergriff Isabelle diese Chance als Türöffner zur Rallye-Raid-Karriere. Leider mussten sie und ihr Chauffeur Fred Vivier mit Motorschaden schon nach 70 Kilometern aufstecken – doch der Wüsten-Virus war endgültig in sie eingedrungen. 2002 trat die ehrgeizige Blondine dann erstmals bei der großen „Dakar“ an – als Fahrerin und mit ihrem langjährigen Freund, dem Segler Steve Ravussin als Beifahrer. Erneut schied sie früh aus, doch hatte der Ausfall auch etwas Gutes: Denn so traf sie auf ihren heutigen Beifahrer, Bernard Irissou, der den Havaristen seine Hilfe angeboten hatte. Für Isabelle war es Sympathie auf den ersten Blick, und als sie sich verabschiedeten, sagte Bernard: „Wenn Du mal einen Co-Piloten brauchst, ich wäre bereit...“



Trotz des netten Angebots spannte Patissier 2003 zunächst weiter mit Ravussin zusammen. Bei der „Dakar“ steuerte sie einen großen, übermotorisierten Buggy namens „Choupette“. Erstmals erweckte sie mit ihrem Fahrstil größere Aufmerksamkeit. Danach wollte sie noch in Tunesien und Marokko an den Start gehen, doch Ravussin hatte es zurück aufs Meer gezo-gen. Sofort kam Isabelle Bernard Irissou wieder in den Sinn – und das „Traumpaar“ war geboren.



„Dakar 2004: Erster Einsatz in einem Profi-Team“

Derweil hatten die wilden Ritte auf der „Choupette“ längst die Aufmerksamkeit von Nissan France erregt. Prompt unterbreitete Teamchef André Dessoude Patissier ein Angebot, als Teamkollegin von Kenjiro Shinozuka, Paul Belmondo und Thierry de Lavergne die Dakar 2004 für die werksunterstützte Équipe zu fahren. Isabelle wusste, was die Stunde geschlagen hatte: Es war das Angebot ihres Lebens, der Traum, eine professionelle Rennfahrerin zu werden, könnte in Erfüllung gehen.



Das Debüt im roten Pathfinder endete mit einem zweiten Platz in der T1-Klasse – das konnte sich sehen lassen. Danach legte sie eine einmalige Siegesserie hin: Nach der nicht zur WM zählenden „Desert Express“ in Oman landete das Duo Patissier/Irissou mit den Siegen bei den WM-Läufen in Tunesien, Marokko und der Türkei einen lupenreinen Hattrick. Mit dem hart erkämpften zweiten Platz bei der UAE Desert Challenge war der WM-Titel bei den Fahrern und – für Nissan – auch bei den Marken dann endgültig perfekt.



2005: Es lockt der Aufstieg in die T2-Klasse

In der Saison 2005 wollen das Team Nissan France Dessoude und Isabelle Patissier ihre erfolgreiche Zusammenarbeit weiterführen. Erneut ist sie bei der Dakar auf einem T1-Pathfinder unterwegs – und strebt diesmal den Sieg an. Im weiteren Verlauf des Welt-Cups locken erstmals Einsätze in der T2-Klasse, der „Formel 1“ des Wüstenrennsports. Dann hofft die Wüsten-Königin, ein neues Kapitel in ihrer Erfolgsgeschichte aufschlagen zu können. Wie immer hat sie nur eins im visier: den Sieg - wie alle echten Champions.



PORTRÄT



ISABELLE PATISSIER – EINE FRAU SCHICKT DIE MÄNNER IN DIE WÜSTE



Die Ex-Weltmeisterin im Klettern ist die neue „Königin“ der Rallye Raid-Szene. Als erste Frau überhaupt holte die 37jährige Französin Isabelle Patissier auf einem Nissan Pathfinder den Welt-Cup in der seriennahen T1-Klasse



Schon seit frühester Jugend fühlte sie sich von Extremsportarten geradezu magisch angezogen. Nachdem Isabelle Patissier im Klettersport alles erreicht hatte, studierte sie erst einmal vier Jahre Psychologie. Doch machte die Uni allein sie nicht glücklich – eine neue Herausforderung musste her. Sie fand sie ab der Saison 2000 im Motorsport. Auch in dieser Männerdomäne setzten sich ihr unbändiger Siegeswille und die hohe Einsatzfreude durch. Lohn für alle Mühen war der Sieg im diesjährigen Cross-Country-Weltcup der T1-Kategorie. Nun geht es 2005 (erneut mit Nissan) zur Dakar und danach erstmals in ein Fahrzeug der T2-Klasse – der „Formel 1 des Wüstensports“.



Schon im zarten Alter von fünf Jahren entdeckte Isabelle die Freuden des Kraxelns. Während andere Mädchen ihres Jahrgangs mit Puppen spielten, versuchte sie sich lieber an den ersten Kletterwänden. Zusammen mit ihrem Onkel und ihren Cousins ging sie regelmäßig am Wochenende auf Tour und fand zunehmend Gefallen am Nervenkitzel in der Vertikalen. Bald ging sie auch unter der Woche in die Wand, und schnell nahm das Hobby ihre gesamte Freizeit ein.



„Mit 12 nutzte ich die Mittagspause, um gleich neben der Schule an der Mauer eines Friedhofs zu trainieren“, erinnert sich Isabelle. „Viele schüttelten darüber den Kopf, manche hielten mich sogar für verrückt.“



Mit 18 nahm Isabelle an ihrem ersten Wettkampf teil – und gewann auf Anhieb. Dem Freeclimbing zuliebe zog sie nach Cassis in Südfrankreich, wo sie acht Stunden täglich im küstennahen Calanques-Gebirge trainierte. Schnell erzielte sie Fortschritte, die Knochenarbeit zahlte sich aus. Mit 21 errang sie ihren ersten französischen Meistertitel, mit 23 war sie erstmals Weltmeisterin.



1995: Ende der Kletterkarriere nach vier nationalen und zwei WM-Titeln.

Im Laufe ihrer Karriere sammelte Patissier vier nationale Titel, gewann zwei Weltmeisterschaften und belegte bei Europameisterschaften dreimal Platz zwei. Bis zum Alter von 28 tummelte sie sich in der Weltspitze des Klettersports. Noch immer auf Top-Niveau, entschloss sich Isabelle dann 1995 ihre Kletterkarriere zu beenden und ihr unterbrochenes Psychologie-Studium wieder aufzunehmen.



Während ihre erste Liebe, das Klettern, erkaltet war, glühte im Hintergrund längst eine neue Flamme – der Motorsport. Schon mit 15 hatte Isabelle davon geträumt, einmal die großen Wüsten der „Paris-Dakar“ vom Steuer aus zu erleben. Mit dem ersten richtigen Preisgeld aus dem Klettersport kaufte sie sich einen Golf GTI. Ihr Motorsport-Debüt kam dann mit etwas Glück und mehr aus Zufall zustande: Ski-Ass Luc Alphand, heute längst selbst einer der Besten der Rallye-Raid-Szene, stellte sie den Organisatoren des „Star Cups“ vor. Kurz danach erhielt sie eine Starterlaubnis für diesen Markenpokal, und fuhr in Spa ihr erstes Rundstreckenrennen. Wie schon beim Klettern kniete sich Isabelle mit großem Eifer in die neue Aufgabe. Sie fuhr Langstreckenrennen, Eisrennen und Kart-Cross-Veranstaltungen. Als Endziel hatte sie aber längst die Welt der Rallye Raids vor Augen.



2000: Rallye-Raid-Feuertaufe als Beifahrerin in Tunesien

Es war Cyril Neveu, der mehrmalige Dakar-Sieger bei den Motorrädern, der ihr den ersten Einblick in diese „neue Welt“ eröffnete. Fred Vivier suchte einen Beifahrer für die Tunesien-Rallye 2000. Zwar war der Co-Piloten-Platz nicht das, wovon Isabelle geträumt hatte, doch begriff sie die Chance als Türöffner. Leider gab schon nach 70 Kilometern der ersten Sonderprüfung der Motor seinen Geist auf – und Isabelle durfte ihre erste Nacht in der Wüste verbringen!



Auch wenn das Debüt kurz war – der Appetit war geweckt. Patissier nahm an der „Gazelles-Trophy“ teil, einer nur für Frauen ausgeschriebenen Orientierungsfahrt durch Marokko. Doch das war ihr nicht genug. Sie suchte eine „richtige“ Herausforderung, das wahre Wüstenabenteuer, eine Frau gegen alle Männer!



2002: Die erste Dakar – und eine schicksalhafte Begegnung in der Wüste

2002 war es dann soweit: Isabelle trat zusammen mit ihrem langjährigen Freund, dem Segler Steve Ravussin, bei der „Dakar“ an. Erneut schied sie früh aus, doch hatte das Aus auch etwas Gutes: Denn so traf sie auf ihren heutigen Beifahrer, Bernard Irissou, der als Helfer zur Stelle war. Es war Sympathie auf den ersten Blick, und als sie sich verabschiedeten, sagte Bernard: „Wenn Du mal einen Co-Piloten brauchst, ich wäre bereit...“



Trotz des netten Angebots fuhr Isabelle Patissier 2003 ihre zweite Dakar noch einmal mit Steve Ravussin. Diesmal steuerte sie einen „Choupette“, einen großen, übermotorisierten Buggy. Erstmals erweckte sie mit ihrem Fahrstil größere Aufmerksamkeit. Danach wollte sie noch in Tunesien und Marokko an den Start gehen, doch Ravussin zog es zurück aufs Meer. Sofort dachte Isabelle an Bernard Irissou – und das Traumpaar war geboren.



2004: Verführerisches Angebot der Équipe Nissan France Dessoude

Die wilden Ritte auf der „Choupette“ hatten die Aufmerksamkeit von Nissan France erregt. Prompt unterbreitete ihr André Dessoude, der Teamchef des Teams Nissan France Dessoude, das Angebot, als Teamkollegin von Kenjiro Shinozuka, Paul Belmondo und Thierry de Lavergne bei der Dakar 2004 in die werksunterstützte Équipe einzutreten. Isabelle wusste, was die Stunde geschlagen hatte. Es war das Abgebot ihres Lebens, der Traum, eine professionelle Rennfahrerin zu werden, könnte wahr werden.



Ohne Zweifel war die diesjährige Dakar der Wendepunkt in der Karriere der ehemaligen Kletterin. „Für mich war der Einstieg ins Dessoude-Team ein Riesenschritt nach vorne“, bewertet Isabelle die Entscheidung heute. „Ich kam in eine strukturierte, professionelle Organisation und erhielt technische und personelle Unterstützung wie nie zuvor. Der Erwartungsdruck stieg zwar dementsprechend, doch merkte ich immer mehr, dass mir der Rallye-Raid-Sport wie auf den Leib geschneidert war.“



Zweiter Platz bei der „Dakar“ und weitere Sand-Praxis in Oman

Die erste „Dakar“ für Nissan endete mit einem zweiten Platz in der T1-Klasse. Danach war das gemeinsame Ziel klar formuliert: Der Gewinn des Welt-Cups für T1-Fahrzeuge. Zur Vorbereitung auf die Tunesien-Rallye bestritt Isabelle im Februar die „Desert Express“ in Oman, eine nicht zum Welt-Cup zählende und nur für T1-Fahrzeuge ausgeschriebene Veranstaltung. Die blonde Französin gewann, doch wichtiger als der Sieg gegen eine vergleichbar schwache Konkurrenz waren für sie die dort gesammelten Erfahrungen. Sie perfektionierte das Meistern der extremen Dünenkämme und wurde immer vertrauter im Umgang mit dem leichten und handlichen Nissan Pathfinder. Auch Bernard Irissou zog aus dem Oman-Abenteuer großen Nutzen. Da es bei dieser Rallye kein Roadbook gab, musste er all seine Navigationskünste unter Beweis stellen.



Erster Gesamtsieg im Welt-Cup in Tunesien

Nach diesem Erfolgserlebnis gingen Patissier/Irissou im April hochmotiviert nach Tunesien, wo der Auftakt zum Cross Country-Rallye-Weltcup anstand. Isabelle wusste um die Stärke ihrer Konkurrenz: Jean-Pierre Strugo (Mercedes ML 350), ihr härtester Rivale, war alles andere als ein Anfänger. Mit zunehmender Renndauer kam das gemischte Doppel aber immer besser zurecht. Isabelle meisterte perfekt Strecke und Auto, Bernard gab seine Kommandos regelmäßig und präzise – nach einer Woche Renndauer hatten beide ihren erste Weltcup-Sieg unter Dach und Fach gebracht.



„Vor dem Start fühlte ich mich noch stark unter Druck“, gestand Isabelle. „Doch ich habe erkannt, dass Übermotivation nichts bringt. Ein Sieg ist niemals einfach, man muss alles geben, doch ich habe gelernt, es kontrolliert angehen zu lassen. Danach hatte ich das sichere Gefühl, dass nun alles möglich sein könnte. Und die Rallye Marokko hat genau das bestätigt...“



Nach dem zweiten Triumph mit komfortablem Vorsprung an der Tabellenspitze

Im Juni traf sich die automobile Wüsten-Caravane erneut, diesmal in Marokko. In diesem Jahr war die dortige Rallye etwas kürzer als 2003, aber mitnichten einfacher. Die Streckeführung war fast vollständig neu, so dass manche Überraschung auf die Teilnehmer lauerte. Wie schon in Tunesien lieferte Isabelle erneut eine tadellose Leistung ab. Nach dem zweiten Sieg in Folge schob sich das Nissan-Team mit komfortablem Vorsprung an die Spitze der T1-Wertung.



Als Nächstes stand die Rallye d’Orient in der Türkei auf dem Programm. Motiviert wie immer, landete das Erfolgs-Duo dort den Hattrick. Jetzt war ihnen der Titel kaum noch zu nehmen. Nach der UAE Desert Challenge, bei der Patissier/Irrisou nach vielen Problemen am Ende noch Platz zwei holten, war der Coup dann endgültig perfekt: der WM-Titel bei den Fahrern und – für Nissan – auch bei den Marken.



2005 winkt Isabelle Patissier der Aufstieg in einen T2-Nissan

Für die kommende Saison wollen Nissan France und Isabelle Patissier ihre erfolgreiche Zusammenarbeit fortführen. Erneut ist sie bei der Dakar auf einem T1-Pathfinder unterwegs – und strebt diesmal natürlich den Sieg an. Im weiteren Verlauf des Welt-Cups darf sie dann einen Gang hochschalten. Es locken Einsätze in der T2-Klasse, der „Formel 1“ des Wüstenrennsports. Dann hofft die Wüsten-Königin, ein neues Kapitel in ihrer Erfolgsgeschichte aufschlagen zu können. Wie immer hat sie nur eins im visier: den Sieg - wie alle echten Champions.



ISABELLE PATISSIER

(Frankreich)

geboren am 1. März 1967



Die Kletterkarriere

1988

Französische Meisterin

1990

Weltmeisterin

Französische Meisterin

1991

Weltmeisterin

Französische Meisterin

1992

Vize-Europameisterin

Französische Meisterin

1993

Vize-Europameisterin

1994

Vize-Europameisterin



Die Motorsportkarriere

2000

Star-Challenge-Markenpokal (Platz 2)

Trophée des Gazelles (Platz 3)

2002

Trophée Andros mit Kart-Cross

Erster Start bei „Paris-Dakar“

Platz 20 Marokko-Rallye

2003

Zweiter Start bei Paris-Dakar

Platz 20 Tunesien-Rallye

Platz 12 Marokko-Rallye

2004

Platz 2 in der T1 bei der Dakar

Platz 1 Oman Desert Express

Platz 1 in der T1 bei der Tunesien-Rallye

Platz 1 in der T1 bei der Marokko-Rallye

Platz 1 in der T1 bei der Rallye d’Orient

Platz 2 in der T1 bei der UAE Desert Challenge

WELTMEISTERIN T1-KLASSE AUF NISSAN PATHFINDER