Nissan bei den 24 Stunden von Le Mans 2015

Der Moment der Rückkehr

  • Nissan Comeback nach 16 Jahren mit drei LM P1 Autos vom Typ GT-R LM NISMO
  • Einsatz eines radikal neuen Konzepts mit Frontantrieb und -motor
  • 30 Prozent des gesamten Starterfeldes mit Nissan Power

Nach 16 Jahren kehrt Nissan in die Königsklasse der 24 Stunden von Le Mans zurück. Wenn am kommenden Samstag um 15 Uhr die Ampel auf Grün wechselt, werden drei Nissan GT-R LM NISMO das härteste Langstreckenrennen der Welt in der LM P1+H-Kategorie unter die Räder nehmen.

 

Am Steuer des radikal konzipierten Hybrid-Modells (vorn installierter Motor mit Frontantrieb und kinetischem Energierückgewinnungssystem) greifen erfahrene Piloten aus der Motorsportwelt sowie aus der hausinternen Nachwuchsschmiede - der GT Academy - ins Lenkrad.

 

Im Auto mit Startnummer 23 wechseln sich der Formel-1-erfahrene Max Chilton, der GT Academy-Sieger und aktuelle GP3-Starter Jann Mardenborough sowie der erfahrene Sportwagenpilot Olivier Pla ab. Der Franzose fuhr beim Le Mans-Testtag am 31. Mai mit 336 km/h die höchste Geschwindigkeit auf der Mulsanne-Geraden und stellte damit das unter anderem auf maximale Topspeed ausgelegte Design des Nissan GT-R LM NISMO unter Beweis.

 

„Ich finde es beeindruckend, dass ein Werksteam mit einem solch innovativen technischen Ansatz nach Le Mans kommt. Ich denke, die Leute werden uns im ersten Jahr einen Vertrauensvorschuss geben und ich bin optimistisch, dass wir das große Potenzial des Autos in Zukunft aufdecken können", sagt Chilton. „Das Drehmoment des Motors ist so gewaltig wie bei keinem anderen Auto, das ich bislang gefahren bin. Für mich ist der GT-R NISMO LM nicht viel anders zu fahren als ein Hinterradantrieb, doch man muss seinen Fahrstil schon ein wenig anpassen."

 

Im Fahrzeug Nummer 22 spannt der langjährige NISMO-Markenbotschafter und Pilot Michael Krumm mit dem letztjährigen Le Mans-Sieger in der LM P2-Klasse, Harry Tincknell, sowie dem Nissan GT-Experten Alex Buncombe zusammen.

 

Krumm: „Im Regen sollten wir mit dem Frontantrieb Vorteile haben"

„Ich fahre nun schon seit 16 Jahren für NISMO und war bereits 1998 und 1999 bei den Nissan-Einsätzen in der Top-Klasse dabei", erinnert sich der gebürtige Reutlinger. „Jetzt zurückzukommen, um den unerledigten Job des Rennens von 1999 zu vollenden, bedeutet mir sehr viel. Dieses neue Auto mit zu entwickeln und Teil dieser Truppe zu sein, ist zugleich auch eine große Ehre. Zunächst dachte ich, das Team sei verrückt, als ich die ersten Simulationen sah. Doch dann erklärten mir Ben (Bowlby) und Ricardo (Divila) das Konzept, und von diesem Augenblick an war ich begeistert."

 

Die Sitzposition sei aufgrund des weit zurückversetzten Cockpits zunächst ungewöhnlich, bekennt Krumm. „Aber ich habe mich schnell daran gewöhnt und war überrascht, wie exakt und verzögerungsfrei das Auto einlenkt und wie gut dabei die Traktion ausfällt. Am meisten beeindruckt mich jedoch die hohe Stabilität auf den Geraden. Durch den niedrigen Luftwiderstand beschleunigt der GT-R LM NISMO scheinbar ohne Ende. Mit einem konventionellen Le Mans-Prototypen beschleunigt man irrwitzig schnell, doch fährt man irgendwann gegen eine unsichtbare aerodynamische Mauer - nicht so mit dem Nissan, der immer weiter zieht. Ich liebe auch den Bi-Turbo-Motor, ein wirklich schön zu fahrendes Triebwerk mit massig Drehmoment."

 

Bei Regen rechnet der 45-Jährige mit Vorteilen für den Nissan. „Unser Auto ‚zieht' die ganze Zeit, statt von hinten anzuschieben. Das heißt: Solange man am Gas ist, bleibt das Heck stabil und kann nicht ruckartig ausbrechen. Dazu kommt eine Reihe von Kurven, wo dieser Effekt mehr Grip erzeugt als bei einem Hinterradantrieb. Wir werden also an unterschiedlichen Stellen der Strecke schneller, aber auch langsamer sein als die Konkurrenz, das wird sehr spannend."

 

Das Auto mit Startnummer 21 wird Nissan 2015 nur in Le Mans einsetzen. Am Steuer sitzen Tsugio Matsuda (amtierender  Meister der japanische Super GT500-Serie), Lucas Ordonez (erster Gewinner der GT Academy und aktueller Fahrer in der Super GT) und der erste Sieger der russischen GTA-Wertung, Mark Shulzhitskiy. „Es ist toll zu sehen, dass Nissan mit dem GT-R LM NISMO eine andere Richtung einschlägt", sagt Ordonez, der gerade erst in Japan seinen ersten Podiumsplatz in der dortigen Formel-3-Serie feiern konnte. „Das ist gut für die Fans und den Sport. Der Motor ist stark, und die Höchstgeschwindigkeit phantastisch. Man muss das Auto aber anders fahren und lernen, es zu verstehen. Doch wir Fahrer arbeiten alle eng zusammen, um das Beste aus dem Nissan GT-R NISMO LM und aus uns selbst herauszuholen."

 

Blau lackierte Nummer 21 erinnert an Nissan-Sternstunde von 1990

Für die Nummer 21 hat sich Nissan im Übrigen etwas ganz Besonderes ausgedacht. Glänzt das Auto doch im Kontrast zu den beiden komplett roten Modellen in einer blauen und mit weißen und roten Akzenten verzierten Lackierung. Damit will Nissan an jenen R90CK erinnern, mit dem Mark Blundell vor genau 25 Jahren zu den Hochzeiten der Gruppe-C-Ära mit einer Runde in 3:27,020 Minuten auf die Poleposition fuhr. Bei diesem Parforceritt erreichte der 1.110 PS starke Nissan eine Spitzengeschwindigkeit von 366 km/h. Das historische Auto mit Startnummer 24 wird - mit Blundell am Steuer - Teil einer Fahrzeugparade sein, die vor dem Start des Rennens die Le Mans-Zuschauer in nostalgische Gefühlswelten versetzen wird.

 

„Diese Runde in Le Mans war ein Highlight meiner Karriere", sagt Mark Blundell. „Es war einer jener Momente, in denen die Zeit stillzustehen schien und alles perfekt lief." Darren Cox, NISMO-Marketingchef und Leiter der weltweiten Nissan-Motorsportaktivitäten, betont: „Wir halten unsere Motorsport-Vergangenheit in Ehren. Unser Le Mans-Auto von 1998 hängt im NISMO-Hauptsitz in Yokohama an der Wand, als Erinnerung an den dritten Platz bei diesem Rennen. Die blaue Lackierung erinnert an die großen Nissan-Zeiten in der Gruppe C und der IMSA-Serie in den USA. Der Anstoß dazu kam von unsere Fans, die diesen Wunsch über die sozialen Netzwerke an uns herantrugen!"

 

14 von 19 LM P2-Nennungen mit Nissan-PS im Rücken

Geht es Nissan in der LM P1+H-Klasse vor allem darum, Erfahrungen zu sammeln, stehen die Zeichen in der LM P2-Kategorie erneut auf Sieg. In den letzten vier Le Mans-Ausgaben gewannen vom Nissan VK45DE-V8-Motor angetriebene Prototypen drei Mal diese Liga des Langstreckensports. Und auch in diesem Jahr setzen 14 der 19 benannten Fahrzeuge wieder auf die Kraft des intern VK45DE genannten Saugmotors. Zusammen mit den drei Werkswagen vertrauen damit 30 Prozent aller Starter der diesjährigen 24 Stunden auf Nissan als Motorenlieferant.

 

 

Nissan GT-R LM NISMO Team - Überblick

 

Wagen #23 - Fahrerbiografien

Max Chilton

Olivier Pla

Jann Mardenborough

 

Wagen #22 - Fahrerbiografien

Michael Krumm

Harry Tincknell

Alex Buncombe

 

Wagen #21 - Fahrerbiografien

Lucas Ordonez

Mark Shulzhitskiy

Tsugio Matsuda

 

Antriebskonzept

Ein Le Mans-Auto wie kein anderes zuvor: der Nissan GT-R LM NISMO

  • 65 Prozent des Gewichts und des Anpressdrucks auf der Vorderachse
  • Aerodynamik-Paket auf den Le Mans Kurs maßgeschneidert
  • 550 PS starker 3,0-Liter-Bi-Turbo-Frontmotor und Vorderradantrieb

Er ist anders, aber nicht artig. Und beweist, dass die Innovationsfreude von Nissan ungebrochen ist. Der in jeder Beziehung neu entwickelte Nissan GT-R LM NISMO wurde im Juli 2014 in London vorgestellt und ging im November auf seine Jungfernfahrt. Er ist also noch im Anfangsstadium seiner Entwicklung.

 

Der für die oberste Liga des Langstreckensports und ihren jährlichen Saison-Höhepunkt Le Mans entwickelte Nissan GT-R LM NISMO unterscheidet sich konzeptionell gravierend von allen anderen LM P1 Fahrzeugen.

 

Novum für Le Mans: Frontmotor und Frontantrieb

Als globales Projekt wurde der GT-R LM NISMO von einem multinationalen Ingenieursteam aus Japan, den USA und Europa gemeinsam entwickelt. Im Gegensatz zu anderen LM P1 ist der 3,0 Liter große und von zwei Turboladern angefachte V6-Benziner im Bug des Fahrzeugs installiert. Von dort treibt der extrem kompakte Verbrenner auch die Vorderräder an. Die durch das ERS (Energy Recuperation System) erzeugte Hybridkraft auf Basis zweier mechanisch angetriebener Schwungräder wird ebenfalls an der Vorderachse abgegriffen.

 

„Die Regeln sind so eng, dass quasi alle Le Mans-Autos gleich sind", sagt Ben Bowlby, Konstrukteur des Nissan GT-R LM NISMO. „Weil wir existierende Entwürfe nicht kopieren wollten, haben wir das herkömmliche Design eines LM P1-Modell völlig auf den Kopf gestellt."

 

Rund 65 Prozent des Gewichts von 870 Kilogramm liegen laut Bowlby auf der Vorderachse. Als Folge dieser Massenverteilung und um möglichst viel Traktion auf die Michelin-Reifen zu bringen, sind die vorderen Pneus breiter als die hinteren. Bowlby: „Mit dieser Konfiguration können wir maximale Traktion auf der Antriebsachse erzeugen und kommen so im Nassen weniger schnell in den Bereich des Aquaplanings. Zugleich erreichen wir bei hohen Geschwindigkeiten eine hervorragende Richtungsstabilität."

 

Ganz neu ist die Erfahrung „Frontantrieb im Motorsport" für Nissan übrigens nicht: In den späten 1990er Jahren setzten die Japaner den Primera erfolgreich bei Tourenwagen-Rennen ein - 1998 und 1999 gewann Nissan in der britischen Tourenwagen-Meisterschaft BTTC sowohl den Fahrer- wie Markentitel. Auch im deutschen Supertourenwagen-Championat war Nissan - unter anderem 1998 mit Michael Krumm - vertreten. Einige der damals bei der Entwicklung der Rennlimousine beteiligten Ingenieure lassen nun ihre Expertise auch in die Technik des GT-R NISMO LM einfließen.

 

Motor- und Antriebsstrang: V6-Bi-Turbo mit Hybridunterstützung

Der sehr effiziente Benzin-Direkteinspritzer des Nissan GT-R NISMO LM mobilisiert dank Bi-Turbo-Aufladung und unter Berücksichtigung der maximal erlaubten Benzindurchflussmenge eine Leistung von rund 550 PS. In Le Mans sind die Motoren weder bei Hubraum, Ladedruck oder Drehzahl limitiert, dürfen im Gegenzug aber pro Runde nur eine bestimmte Menge an Treibstoff verbrennen. Ben Bowlby: „Je effizienter der Motor läuft, je mehr Leistung kann man ihm entlocken. Im Vergleich zu einem 2013 in Le Mans eingesetzten Benzinmotor kommen wir beim neuen 3,0-Liter mit knapp 30 Prozent weniger Treibstoff aus." 

 

Der VRX 30A-Motor mit einem Zylinderbankwinkel von 60 Grad baut sehr kompakt und hat solch eine füllige Drehmomentkurve, dass das Nissan-Team mit einem sequentiell zu schaltenden Fünfganggetriebe auskommt. Bowlby: „Unsere Fahrer müssen weniger schalten und schonen so das Getriebe und alle anderen Komponenten der Kraftübertragung. Der Motor ist auch in punkto thermischer Effizienz sehr gut, so dass wir aus jedem Tropfen Benzin wirklich das Maximum herausholen."

 

Der Motor ist auf eine Lebensdauer von minimal 6.000 Kilometern ausgelegt - was knapp 800 Kilometer über der 2014 in Le Mans vom Siegerwagen zurückgelegten Distanz liegt. Speziell entwickelte Öle von Nissan Entwicklungspartner Motul sorgen für minimalen Verschleiß an Kolben und Zylinderlaufbahnen sowie eine allzeit verlässliche Schmierung.

 

Zusätzlich zum Verbrenner nutzt Nissan das bereits erwähnte kinetische Energierückgewinnungssystem, kurz ERS genannt. Damit fangen die Techniker beim Anbremsen einer Kurve sonst nutzlos verpuffende Energie auf und können die gespeicherte Kraft beim Herausbeschleunigen aus einer Kurve abrufen. Dabei ist es extrem wichtig, diesen Powertransfer besonders schnell abzuwickeln. Das ERS-System ist als geschlossenes Modul im Fußraum untergebracht.

 

Vier unterschiedliche Hybridklassen von 2MJ bis 8MJ

Das LM P1 Reglement des Le Mans Veranstalters ACO sieht vier unterschiedliche Hybridklassen vor und nimmt dabei eine Runde auf dem legendären Kurs im Département Sarthe als Referenz. Die Durchflussmengen sind gestaffelt und hängen direkt mit der gewählten Größe des ERS-Speichers ab. Generell gilt: Wer besonders viel ERS-Power aufnimmt und wieder abruft, darf weniger Treibstoff in die Brennkammern schicken. Für die unterste Klasse (zwei Megajoule pro Runde) gemeldete Autos dürfen also vergleichsweise viel Benzin oder Diesel verbrennen. In den Klassen 4MJ, 6MJ und 8MJ wird die erlaubte Durchflussmenge dann schrittweise weiter reduziert. Daraus ergibt sich für das ERS-Layout die Alternative, entweder sehr viel Kraft für einen sehr kurzen Zeitraum oder relativ wenig Leistung über einen sehr langen Zeitraum zu erzeugen.  

 

In diesem Jahr tritt Nissan in der 2MJ-Klasse an. Auf dem Prüfstand hat Nissan mit einem 8MJ KERS System schon mühelos 1.100 PS gemessen - zusammen mit der Leistung des Verbrenners sind theoretisch bis zu 1.250 PS und mehr möglich. Dann auch mit der Option, die Hinterräder mit einzubeziehen und den GT-R LM NISMO phasenweise zum Allradler werden zu lassen. 

 

Dabei gibt es laut Bowlby jedoch einige Herausforderungen zu beachten. In erster Linie das Gewicht. „Zehn bis zwölf Kilogramm zusätzlich werden mit einer 0,5 Sekunden längeren Rundenzeit quittiert. Wir stehen bei Nissan vor der Aufgabe, ein großes und kraftvolles ERS im Auto einzubauen, ohne dabei über das für den GT-R LM NISMO auf 870 Kilogramm festgesetzte Gewichtslimit zu kommen. Wie knifflig die Angelegenheit ist, zeigt die Tatsache, dass die Hälfte des Gewichts allein schon auf den Verbrennungsmotor, das ERS und den übrigen Antriebsstrang entfällt. Und Bolby gibt eine weitere Tatsache zu bedenken: „Fällt ein 8MJ-System einmal aus, bedeutet das in Le Mans eine sieben Sekunden längere Rundenzeit. Ein defektes 2MJ-System dagegen kostet nach unseren Berechnungen nur einen Zeitverlust von 1,6 Sekunden."

 

Aerodynamik: Maximaler Anpressdruck und minimaler Luftwiderstand 

Der Nissan GT-R NISMO LM erzeugt laut Ben Bowlby so viel Anpressdruck, dass er mit Tempo 240 mühelos auf dem Kopf stehend an der Decke entlangfahren könnte. Da auch alle Kühler im Vorderbau angeordnet sind und die Auspuffrohre und Turboladet nach oben rückten, ergab sich Platz für zwei fast über die gesamte Länge des Fahrzeugs durchgezogene Tunnel. Diese erzeugen eine Art Staubsauger-Effekt und krallen das „Batmobil" mit zunehmender Geschwindigkeit immer fester auf den Asphalt.

 

„Aufgrund der Restriktionen des Reglements ist es sehr schwierig, genügend Anpressdruck auf der Hinterachse zu erzeugen", weiß Bowlby. „So ist zum Beispiel die Größe und Form des Heckflügels stark limitiert. Dagegen gibt es für die Frontpartie kaum Einschränkungen. Daher lag für uns der Gedanke nah, den Motor und das Getriebe vor den Fahrer zu setzen."

 

Ein geringer Luftwiderstand ist laut Bowbly für Le Mans entscheidend, fast nirgendwo sonst werden die Motoren so lange mit Volllast betrieben wie hier. „Auf den Geraden schnell zu sein, hilft auch beim Überholen und lässt die Fahrer nicht so schnell ermüden. Niedriger Luftwiderstand senkt darüber hinaus auch den Verbrauch."

 

„Wir sind der Herausforderer" (Ben Bowlby)

Nissan und NISMO verstehen sich im Konzert der großen LM P1-Konkurrenten als mutiger Herausforderer, sagt Ben Bowlby. Der mit einem Rennwagen antritt, dessen weit zurückversetztes Cockpit schon allein für eine deutlich abweichende Optik sorgt. Als die drei größten Stärken des Nissan GT-R NISMO LM bezeichnet der Querdenker „Effizienz, Stabilität und die Höchstgeschwindigkeit auf den Geraden".

 

Dass sich Erfolge nicht sofort einstellen und das Team eine steile Lernkurve vor sich hat - damit rechnet „Super-Hirn" Bowlby: „Unser Budget ist nicht so groß wie das der anderen, also versuchen wir, besonders innovativ zu sein."

 

Aufgrund des extrem engen Zeitplans - weniger als ein Jahr zur Zusammenstellung des Teams sowie des Baus und der Entwicklung des Wagens - wird Nissan 2015 in Le Mans die Leistung des Hybridsystems noch nicht voll ausnutzen. „Wir werden das meiste aus dem V6-Benziner herauszuholen und mit voller Kraft 2016 zurückkehren", kündigt Bowlby an.

 

„Nissan hat in Le Mans noch etwas gutzumachen", sagt NISMO Präsident Shoichi Miyatani mit Bezug auf die erfolgreiche Phase der späten 1990er-Jahre. Um hinzuzufügen: „Sicherlich noch nicht in diesem Jahr. Wir sind noch Außenseiter, denn die anderen haben uns Jahre an Erfahrung und investiertem Geld voraus." 

 

Darren Cox, Marketing-Chef von NISMO und verantwortlich für die weltweiten Nissan Motorsportaktivitäten, blickt schon weiter in die Zukunft: „Wir haben schon vor dem diesjährigen Le Mans-Rennen mit den Arbeiten am Auto für 2016 begonnen. Es geht Nonstop durch - viele denken, es seien die 24 Stunden von Le Mans, doch im Grunde sind es die 365 Tage von Le Mans."


 

Technik-Transfer 

Vom Motorsport in die Serie

  • Turbolader des GT-R GT3 verdichten auch im GT-R NISMO
  • Nissan beweist immer Mut zu neuen und unkonventionellen Ideen

„Innerhalb von Nissan wird Wissen weitergegeben - ein Technologie-Transfer vom Renn- zum Serienwagen findet kontinuierlich statt", sagt Darren Cox, verantwortlicher Manager für das weltweite NISMO Marketing und die Motorsportaktivitäten von Nissan. „Zum Beispiel arbeiten im Nissan GT-R NISMO die gleichen Turbolader, die auch in unseren GT-R NISMO GT3 Rennwagen für zusätzlichen Dampf sorgen. Ein weiteres Beispiel kommt aus dem Bereich Aerodynamik: Hier waren die Spezialisten für die in Japan eingesetzte Super GT500-Ausführung des GT-R auch an der Form des allradgetriebenen Juke-R mit GT-R-Antriebsstrang beteiligt. Und ich bin sicher, dass in Zukunft auch der Motor und die Elektronik des GT-R LM NISMO die Entwicklung unserer Serienmodelle befruchten wird."

 

Techniktransfers dieser Art seien laut Cox auch die Folge einer gemeinsamen Philosophie zwischen Mitarbeitern der Serien- und Rennsportabteilung. Als lebendes Beispiel nennt er Motohiro Matsumura, der in Personalunion das Amt eines COO von NISMO und die Rolle des Chefingenieurs für die Nissan Straßen- und Motorsportprogramme bekleide.

 

„Diese Liebe zum Motorsport haben wir im Blut", betont Cox. „Wir haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, um wieder die Super GT-Serie in Japan zu gewonnen. Nissan Motoren treiben zahllose LM P2-Wagen an, und wir haben Anfang des Jahres mit dem GT-R GT3 Bathurst gewonnen. Wir betreiben Motorsport, weil solche Erfolge der Marke Glaubwürdigkeit und Authentizität verleihen. Wir glauben, dass wir ohne den Motorsport nicht da stünden, wo wir heute sind."

 

Autos wie der GT-R LM NISMO oder die „Garage 56"-Modelle für Le Mans sind laut Cox extrem inspirierend. „Ich habe E-Mails von Nissan Ingenieuren, die sagen: ‚Macht weiter, denn solche Autos motivieren auch uns, neue Ideen zu erforschen.' Wenn unsere Motorsportaktivitäten solche Denkweisen  stärken, lohnt sich das Investment allemal. Fahrzeuge wie der GT-R LM NISMO zeigen, dass Nissan den Mut hat für neue Wege."

 

Diese Kreativität habe sich auch bei den Serienwagen ausgezahlt, so Cox weiter. „Das beste Beispiel war und ist der Qashqai, mit dem Nissan das Establishment des Automobilmarktes in den Festen erschütterte. Der Erfolg des Crossovers ermutigte uns zum Juke, der ebenfalls zum Verkaufsknüller avancierte. Der nun in Le Mans startende GT-R LM NISMO ist die bis dato radikalste Ausdrucksform dieser Vorwärtsdenke."

 

 

Historie

Nissan Le Mans-Highlights von 1986-2014

  • Erste Podiums-Platzierung 1998 im R390 GT1
  • Dominanz in der LM P2-Klasse seit 2011
  • Mit dem ZEOD RC 2014 die erste rein elektrische Runde

Der erste Le Mans-Einsatz von Nissan und NISMO geht auf das Jahr 1986 zurück. Der von einem 3,0 Liter großen V6-Turbo (VG30T/C) angetriebene Nissan 85V mit den Japanern Hasemi und Wada sowie dem Briten James Weaver landete auf dem 16. Platz.

 

1988 bestritt Nissan den Klassiker des Langstreckensports dann mit dem 750 PS starken R88C. Neben Platz 15 in Le Mans erzielte das Modell in der japanischen Meisterschaft als bestes Ergebnis einen dritten Platz.

 

1990 sah die legendäre Poleposition-Runde von Mark Blundell im Nissan R90 CK. Es war das erste Jahr mit Schikanen auf der Hunaudières-Geraden - und das bis dahin bestes Ergebnis für Nissan (Platz fünf um Gesamtklassement).

 

1995 und 1996 folgten zwei Jahre mit dem in der GT1-Klasse genannten GT-R LM. Beim ersten Einsatz kam „Godzilla" auf Platz zehn im Gesamtklassement und Platz fünf in seiner Klasse, im zweiten Jahr musste sich NISMO dann mit Platz 15 im Gesamt- und zehn in der Klassenwertung zufrieden geben.

 

1997 gab der in Kooperation mit Tom Walkinshaw Racing (TWR) entwickelte R390 GT1 sein Debüt. Beim Vortraining deutete der mit Hilfe von Tony Southgate (Ex-Jaguar) konstruierte Wagen sein Potenzial mit der schnellsten Trainingszeit bereits an; im offiziellen Training fuhr der schnellste Nissan danach auf Platz vier. Im Rennen reichte es für Hoshino/Comas/Kageyama dann zu Rang zwölf.

 

1998 beendeten dann alle vier Nissan das Rennen unter den Top Ten. Die Nummer 32 fuhr mit den drei Japanern Suzuki, Hoshino und Masahiko Kageyama auf Platz drei und damit zum ersten Le Mans-Podium für Nissan und NISMO. Die drei anderen Modelle folgten auf den Rängen fünf (Nielsen/Krumm/Lagorce), sechs (Lammers/Comas/Montermini) und zehn (Motoyama/Kurosawa/Masemi Kageyama). Vom R390 GT1 entstanden auch zwei bis zu 320 km/h schnelle Straßenversionen, für deren Design Ian Callum verantwortlich zeichnete. 

 

Für das Rennen von 1999 entwickelte Nissan den neuen R391 und ging mit zwei Exemplaren an den Start. Beide fielen aus, doch gewann der R391 danach im November das 1000 km Rennen von Fuji.

 

2011 begann mit dem VK45DE Motor - einem 4,5 Liter großen V8 - die bis heute andauernde Dominanz von Nissan in der LM P2-Klasse. Der Motor trieb 2011, 2013 und 2014 den jeweils siegreichen Sportwagen an.

 

2014 schrieb Nissan mit dem in der Sonderklasse „Garage 56" gemeldeten ZEOD RC dann ein neues Kapitel Motorsportgeschichte. Als erstes Auto legte das Modell mit Wolfgang Reip am Steuer eine komplette Le Mans-Runde rein elektrisch zurück - mit einer Spitzengeschwindigkeit von 300 km/h.