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Nissan Center Europe GmbH
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Fünf Minuten mit Jann Mardenborough
Wie war Deine Reaktion, als Du von der Nominierung für das neue Nissan Werksteam und den Platz im GT-R LM Nismo erfuhrst?
Darren (Cox) verriet es mir schon letztes Jahr in Monza, im Hospitality-Bereich der GP3. Ich war zunächst einmal baff, da ich damit überhaupt nicht gerechnet hatte und ohnehin nicht alles für selbstverständlich halte. Doch als ich realisierte, was passiert war, war ich unglaublich happy und auch stolz darauf, dass mich Nissan für die Premier League des Sportwagensports ausgewählt hatte. Das ist eine große Ehre und ich freue mich sehr, Teil dieses neuen Teams zu sein.
Du bist der erste GT Academy Sieger, der auch in Formelklassen (Formel 3 und GP3) antritt. Wird Dir diese Erfahrung im LM P1 helfen?
Ja, ganz ohne Zweifel. Die Rennen der Einsitzer sind knallhart, die Positionskämpfe werden erbittert geführt. Es sind vor allem die ersten Runden, auf die es ankommt. Du brauchst maximale Speed und hellwache Sinne, um das Maximum aus dieser Anfangsphase herauszuholen. In einem Formelwagen bist Du ständig am Limit und dieser Umstand wird mir zusammen mit den im LM P2 gesammelten Erfahrungen beim Umstieg in den LM P1 zugute kommen. Nissan hat mir ja den Weg zu den Formelwagen eröffnet, um dort meine Fähigkeiten so schnell wie möglich zu verfeinern. Die Tatsache, dass sie mir jetzt den LM P1-Platz zusichern, zeigt, dass es die richtige Entscheidung war.
Wie fühlt es sich an, demnächst Seite an Seite gegen die etablierten LM P1-Hersteller anzutreten?
Aktuell ist die LM P1 die wettbewerbsfähigste Rennsportklasse der Welt. Jetzt dort einzusteigen und den Kampf gegen drei sehr starke Marken aufzunehmen, ist schon sehr aufregend. Für mich leben damit die goldenen Zeiten der 1990er-Jahre wieder auf – als es ebenfalls viele Hersteller und spannende Rennen gab. Diese neue Ära des Sportwagensports live mitzuerleben, ist ein wirklich schönes Gefühl.
Die FIA World Endurance Serie ist Neuland für Dich. Wie gut kennst Du die Rennstrecken?
Die europäischen Strecken sind mir alle sehr vertraut, doch Austin und Bahrain sind total neu für mich. Ich war auch noch nie in China, sodass auch Shanghai unter die Neuentdeckungen fällt. In Fuji habe ich schon einmal einen Super GT getestet, weiß also dort zumindest grob, wo es langgeht. Allein in alle diese Länder zu reisen, ist schon ziemlich cool. Doch dazu auch noch mit den stärksten Sportwagen der Welt dort Rennen zu fahren, ist einfach phantastisch.
An welches Rennen denkst Du nach dem Gewinn der GT Academy 2011 am liebsten zurück?
An die 24 Stunden von Le Mans 2014. Ich fuhr den Ligier-Nissan von Oak Racing und es ist dieser Vierfach-Stint in der Nacht, den ich wohl nie vergessen werde. So etwas gibt es nur bei den Sportwagen, mit 300 km/h über die Mulsanne-Geraden, nur Du und die Piste, das ist einzigartig. Du kannst nicht wirklich sehen, wo es genau langgeht, aber du weißt es. Es ist wie ein sechster Sinn.
Dieser Nacht-Stint ging so schnell vorbei. Ich kann meine Emotionen Außenstehenden nur so erklären: Ich war in dieser metronomischen Trance und voll am Limit, ständig bei 100 Prozent. Manche nennen diesen Zustand „im Tunnel sein“, doch für mich war es einfach eine sehr spezielle Momentaufnahme.
Wirst Du von den anderen Fahrern aufgrund Deiner Herkunft als Konsolenspieler anderes behandelt?
Das stellte ich nicht wirklich fest, obwohl sie mich in der GP3 manchmal „den Spieler“ nennen. Ich nehme das aber eher als Kompliment. Stell Dir vor, Du hast diese ganze „Karting seit dem Alter von acht Jahren“-Laufbahn hinter Dir. Dann würde es Dich schon ziemlich ärgern, von jemandem geschlagen zu werden, dessen Karriere mit einem PlayStation Spiel begonnen hat.
Was denken Deine Freunde in Cardiff über Deinen Beruf als Rennfahrer? Wie erklärst Du ihnen, was LM P1 bedeutet?
Meine besten Kumpels sind viel eifersüchtiger auf die Länder, die ich demnächst besuche, als auf die Autos, die ich dort fahre. Dieses Jahr wird sie in diesem Punkt ganz verrückt machen! Ich habe ihnen gesagt, wofür LM P1 steht. Ich sagte, das sind im Prinzip Formel 1 ohne Dach, aber genauso schnell!
Ist das Engagement mit Nissan nun das Ende Deiner Formel 1-Träume?
Nein, auf keinen Fall. Sportwagen sind aber noch immer ein exzellentes Sprungbrett, das haben in der Vergangenheit Fahrer wie Mika Häkkinen, Mark Webber oder Michael Schumacher bewiesen. Du kannst eine Karriere im Sportwagen starten und es dann trotzdem bis in die Formel 1 schaffen. Es ist nur ein etwas anderer Weg. Du lernst auf diesem Weg eine Menge, und alles ist sehr nützlich und wertvoll.
Was ist Dein ultimatives Ziel?
Es gibt zwei Ziele und es fällt schwer, sich für eines zu entscheiden. Ich möchte es in die Formel 1 schaffen – und nenne mir einen Rennfahrer, der das nicht möchte. Zugleich habe ich dieses brennende Verlangen, Le Mans im Gesamtklassement zu gewinnen. Ich kann mir kaum etwas vorstellen, was mich mehr erfüllt.
Seit Anfang 2014 bist Du in das Fahrerentwicklungsprogramm von Infiniti Red Bull Racing eingebunden. Was hast Du bisher alles dort gelernt?
Vor allem, sich auf die kleinsten Details für ein Rennwochenende zu konzentrieren und sich so akribisch auf dieses Wochenende vorzubereiten. Damit meine ich das Studium von aktuellen Daten, einen Blick auf Messwerte aus früheren Rennen oder den Focus auf neue Trends – halt das ganze Einmaleins des Motorsports. Je erfahrener Du wirst, je kleiner werden die Vorteile, die Du Dir erarbeiten kannst. Daher müssen wir bildlich gesprochen unter Felsen gucken, um jede noch so kleine Information ans Tageslicht zu holen. Das britische Radsportteam spricht von „marginalen Vorteilen“ – und Infiniti Red Bull Racing ist bekannt dafür, solche Vorteile immer wieder aufspüren zu können.
Du hast den Radsport erwähnt. Sir Chris Hoy* teilt ja Deinen Traum vom Start in Le Mans. Du hast ihm als Mentor wertvolle Ratschläge für seine Einsätze im Nissan GT-R Nismo GT3 gegeben. Hat er Dir im Gegenzug ebenfalls etwas beibringen können?
Nicht in einem Auto, doch er hat mir gezeigt, dass man erfolgreich von einer Sportart in eine komplett andere Disziplin wechseln kann. Wenn Du hart genug arbeitest und Dich voll den neuen Gegebenheiten anpasst, kann es klappen. Das hat mich sehr inspiriert. Und ausgerechnet in Spa, auf einer der schwersten Strecken der Welt, so früh in seiner Karriere einen Podiumsplatz zu erringen**, ist eine super Leistung.
Spielst Du noch auf Deiner PlayStation?
Ja, wenn die Zeit dafür da ist. Meistens gehe ich auf Gran Turismo, doch mag ich auch Ego-Shooter wie Battlefield 4. Ich bin von Natur aus sehr wettkampforientiert, daher spiele ich am liebsten Online – es ist immer noch ein Hobby von mir.
Was würdest Du jemandem sagen, der mit dem Gedanken spielt, bei der GT Academy mitzumachen?
Wenn Du schon immer Rennfahrer werden wolltest, Formel 1 im Fernsehen schaust und der Meinung bist, Du kannst es besser – dann mach es. Du weißt nie, vielleicht steckt in Dir ein verborgenes Talent. Du hast es nur noch nicht entdeckt und schau einfach, wohin und wie weit es Dich führt!
* sechsfacher Olympiasieger und elffacher Weltmeister im Bahnradsport
** Beim Lauf zur britischen GT-Meisterschaft in Spa belegte Hoy zusammen mit Wolfgang Reip Platz zwei auf einem Nissan GT-R Nismo GT3